25.03.10

In Gedenken an die Opfer der Diktatur - dia de la memoria 2010


Am 24. März gedenkt Argentinien dem Militärputsch von 1976. In der darauf folgenden 7jährigen Diktatur sind 30.000 Menschen verschwunden, verschleppt und ermordet von den Militärjuntas. Anlass fuer eine der wichtigsten Demos des Jahres, zu der alle Menschenrechtsgruppen und andere Organisationen aufrufen und mobilisieren. Diese Jahr hatte ich endlich die Chance, selber in Buenos Aires dabei zu sein. Es hat mich stark bewegt. Viele Menschen, die mit Suchanzeigen, Fotos und weissen Herzen an ihre Angehörigen erinnert haben. Murga, Sprechchöre und Transparente, ein lauter Protest, einer der aufmerksam machen wollte und der aufforderte, die Aufgaben von heute nicht zu vergessen. Die Prozesse zu führen, den vor 3 Jahren verschwundenen Julio Lopez zu finden, das Schweigen der Militärs zu brechen.

Gleichzeitig war die Demo Instrument des politschen Lagerkampfs. Der Plaza de Mayo war in der festen Hand der Kirchner Peronisten und Hede de Bonafini - die umstrittene Praesidentin der Madres vom Plaza de Mayo - hielt eine glühende Rede zur Unterstützung der Politik von Cristina. Am Rande zogen die anderen linken Gruppen vorbei, die Sozialisten, Anarchisten, Grünen, Kommunisten, unabhängige Gewerkschaften... Je weiter entfernt von der Plaza umso weiter entfernt von der Regierungspolitik. Irgendwo verloren im Lagerkampf auch das Menschenrechtsforum meiner Kirche, das MEDH. Eine Realität im Argentinien, das ich kennenlerne. Keine Erinnerung ohne Bezug zur heutigen Politik, ohne den völlig offensichtlichen Kampf um unterschiedliche politische Modelle und knallharte Machtinteressen.


















Dennoch: Das grosse Zeichen der Erinnerung, die massenweise Aufforderung zur Aufarbeitung sucht seinesgleichen. Und ist noch immer nötig. Gerade 28 Jahre nach dem Ende der Dikatur ist die gesellschaftliche Diskussion noch lange nicht abgeschlossen. Das Vor und Zurück in den Prozessen gegen die Verantwortlichen für den Terror des Regimes mag ein Beispiel sein. Von den 640 zur Zeit Angeklagten sind grade 90 verurteilt, davon erst 2 rechtskräftig.

Einen Tag vor dem Gedenktag bin ich auf dem Weg nach La Tablada am ehemaligen geheimen Folterzentrum der Autowerkstatt "Olimpo" vorbeigefahren, das nur ein paar Strassen von meinem Zuhause entfernt liegt. Eines der grossen Wandgemälde, eine Homenaje an die Madres vom Plaza de Mazo, war mit grossen Buchstaben ueberpinselt worden: "Acá murieron asesinos - Hier starben Mörder". Unbekannte, die sich wie faschistische Gruppen Italiens bezeichnen, hatten ihre Lesart der Geschichte an die Wand geschrieben und in einer Verdrehung der Tatsachen die weissen Kopftücher der Madres mit Blutflecken beschmutzt. Keine Haltung die selten ist. Insbesondere in Gesprächen mit Argentiniern aus der Oberklasse hört man über die Opfer der Diktatur immer wieder: "Irgendwas werden sie schon gemacht haben".

Und der Norden? Am Gedenktag habe ich in der Zeitung gelesen, dass versucht wird gegen die Privatbanken zu prozessieren, die die Militärdiktatur mit grosszügigen Krediten finanziert und damit überhauot erst möglich gemacht haben. In der Zeit des Regimes sind die Auslandsschulden Argentiniens von 7 auf 32 Milliarden angestiegen, Ausgangspunkt für die Verschuldungskrise in den 90ern. Die Ankläger argumentieren, dass die Banken sehr gut wussten, was sie da unterstützten und die Beweislage lässt kaum einen anderen Schluss zu. Für mich ein Signal der Hoffung, dass auch die Menschen zur Verantwortung gezogen werden könnten, die das Regime an anderen Orten der Welt unterstützt und am argentinischen Genozid mitverdient haben.

21.03.10

Hay que poner más huevo!!

Preparing the big match or "superclacico" like they call the greatest derby of the world River-Boca which takes place this afternoon at 15.00 Argentinian time. Take a look at the video and learn to sing one of the most important songs of the Boca fans to support the right team.



Lyrics are:
Señores yo soy de boca desde la cuna ,
y vamos a salir campeones no tengo dudas,
BOCA es un sentimiento
que se lleva en el corazón
y yo daria mi vida por ser campeón
dale dale Booo.. dalee dalee boo...

Translating the text isnt worth it, you should imagine one of Cologne´s carnival songs mentioning that the object of worship is emotion, heard, live etc. and you are very close. Respecting the sexual orientation of the author of that blog, I chose for a song not mentioning the fagots of River or any other homophobic alusions (which means that there are almost none left) and avoiding lyrics containing the willingness to die for the team (this Friday the 249. victim of football-war in Argentina was shot in Rosario).

But of course I completely agree that Boca has to put more balls in the game to avoid the ridiculous position 18 which would even mean relegation in the next season. Since my colleague Fabi brought me to the famous „bomboñera“ with his 30 years of passion for Boca (in the pic you see him eating the traditional pre-match chori), the unique atmosphere in a stadium which with its impressive architecture allows you being part of the game and the city, I became something I always wanted to avoid: hincha of boca. Hope that I wont get in a street fight for it. And that my team wins tonight. Dale Dale Boo!!

02.03.10

Schule, Schulden, Stadtgeruilla - das Leben am La Plata geht weiter

Gestern kehrte der Alltag zurück in den Cono Sur. Die Schule beginnt und plötzlich ist es wieder voll in Capital. Auf der Panamericana stauts, der 113er ist überfüllt, der Chino bleibt mittags auf. Nach 2 Monaten Ferien kehrt der Alltag an den La Plata zurück. Und auch die Politiker sind zurück. Auf beiden Seiten vom Río begann das politische Leben mit einem Paukenschlag, wenn auch ganz unterschiedlicher Natur.

In Montevideo wurde ausgiebig gefeiert. Pepe Mujica, der in den 70er Jahren der Stadtguerilla angehört und gegen die uruguayische Diktatur gekämpft hatte, hatte es im November geschafft, mit 52% der Stimmen im zweiten Wahlgang zum Präsident Urugays gewählt zu werden (siehe 20.09.09). Seine Frau und ehemalige Mit-Guerillera Lucía Topolansky nahm ihm als Parlamentspräsidentin den Amtseid ab. Zwei Ex-Terroristen als Hauptpersonen im Staatsakt. In seiner Rede überraschte Mujica durch ein ungewöhnliches Versprechen. Anstatt der üblichen politischen Kehrtwende, die ihm die notwendige Profilierung geben und seinen Getreuen ein Stück vom Kuchen politischer Macht sichern würde, will Pepe „mehr vom Gleichen“ für die nächsten 5 Jahre. Hillary Clinton, die zum Gratulieren vorbei kam, sprach sogleich bewundernd von Uruguay als Vorbild für politische Stabilität in der Region. Und auf den Strassen wurde getanzt und gesungen.

Ganz anders die Stimmung westlich vom Río. In Argentinien erwartete man mit Spannung, wie sich die Präsidentin zur Parlamentseröffnung zu DEM politischen Thema der letzten Wochen äußern würde. Die Sommerpause hier wurde beherrscht vom Streit um einen Präsidialerlass, der Gelder aus der Reserve der Zentralbank für die Abzahlung von in 2010 fälligen Staatsschulden in Höhe von 6 Milliarden US$ bestimmte. Die Opposition sah in dem „notwendigen und dringenden“ Erlass einen Angriff auf die Demokratie, weil er die parlamentarische Kontrolle umging. In der Tat: Eine Woche nach Ferienbeginn erschien ein solcher Erlass weder „dringend“ noch „notwendig“. Das Schauspiel begann: Der Zentralbankchef Redrado weigerte sich, die Zahlung vorzunehmen, eine Richterin erklärte den Präsidialerlass für ungültig, argentinische Staatskonten in den USA wurden eingefroren. Der Zentralbankchef wurde entlassen, weigerte sich aber zu gehen, der Aufsichtsrat unterstützte die Zahlung aus der Reserve, Polizisten verwehrten dem obersten Banker Zugang zu seinem Büro und zu guter letzt zog Redrado doch den Hut. Das weitere Vorgehen wurde auf die Zeit nach der Parlamentspause verlegt.

Gestern dann ein neues Kapitel im Spektakel. Cristina Kirchner teilte am Ende ihrer Rede mit, dass man zwar den alten Erlass nicht mehr vollstrecken werde, dass sie aber in der Nacht zwei neue – ebenfalls „dringende und notwendige“- Erlasse unterzeichnet habe, die den gleichen Inhalt hätten und die im Moment der Rede vollstreckt würden. Die Überweisung von der Zentralbank in den Staatshaushalt sei bereits unterwegs. Juristische oder politische Kontrolle und Anfechtung unmöglich. Empörung aller Orten.

Weiterer Streit ist vorprogrammiert. Die Oposition, die seit gestern die Mehrheit im neu zusammen gesetzten Parlament stellt, plant Sondersitzungen, Rücknahme-Beschlüsse, juristische Anfechtung, Untersuchungsausschuss gegen die Bank, strafrechtliche Verfolgung der Präsidentin. Von politischer Stabilität kann keine Rede sein. Nur Hillary, die am gleichen Tag auch in Buenos Aires vorbei kam, lobte die Anstrengungen Argentiniens, seine Schulden zu zahlen.

Staatsschulden, das alte Thema Argentiniens. Einst eines der verschuldetsten Länder der Erde und wesentliche Ursache für die Wirtschaftskrise und den Staatsbankrott in 2001. Nach Neuverhandlung bleiben heute nur noch 140 Milliarden Dollar an Schulden übrig. Achja: plus etwa 70 Milliarden Zinsen. Darunter viele Milliarden, die zur Zeit der Militärdiktatur angehäuft wurden, um den Waffeneinkauf und die Infrastrukturprojekte des Regimes zu finanzieren. Deutsche Unternehmen verdienten damals gut mit. Ein paar Milliarden hat der Staat in den 80ern auch direkt von Firmen übernommen (darunter so arme wie Mercedes-Benz), um den Übergang zur Demokratie abzusichern. Seit Jahren fordern Kritiker, darunter auch die Kirche am La Plata, dass die argentinischen Staatsschulden auf ihre Rechtmässigkeit untersucht werden sollen. In der jetzigen Diskussion spielen diese Argumente keine Rolle. Es wird darum gestritten, wie die Schulden gezahlt werden sollen, keinesfalls aber ob.

Für die Finanzmärkte war die Ankündigung von Cristina ein Grund zum Feiern. Argentiniens Schuldscheine stiegen um 4% und die Risikobewertung des Landes verbesserte sich schlagartig. Ich muss daran denken, wie der deutsche Vizebotschafter im letzten Jahr vor Freude fast ausflippte, als die Präsidentin die Rückzahlung der Schulden an den Pariser Club bekannt gab. Mit dem gestrigen Schachzug dürfte tatsächlich erstmals seit 2001 wieder Geld an die Industriestaaten fließen. Deutschland profitiert, es ist der größte staatliche Gläubiger Argentiniens. Dass das Land darüber in die politische Krise gerät, dürfte die Laune des Botschafters nicht weiter beeinflussen. Er wies schon damals die Kritik an der Schuldenzahlung mit dem etwas dünnen Argument (?) zurück, dass es sich bei der Kirchner-Regierung ja weitbekannt um eine linke und keinesfalls um eine neoliberale handele, es sei also nichts zu befürchten.

Und warum braucht man die Überweisung so dringend? Ganz einfach: Um neue Schulden aufzunehmen. Nur so, ist die politische Überlegung, wird Argentinien die Weltfinanzkrise ohne gesellschaftliche Auseinandersetzung überstehen. Der Börse wird´s gefallen.