Einmal über den Berg, hinter den Park oder über den Fluss und da liegen sie dann, die Viertel, die nicht in den Touristenführern verzeichnet sind. Sie heißen Ciutat Meridiana, La Mina oder Trinitat Nova und schließen häufig an den Industriegürtel rund um die Stadt an, in denen ein bedeutender Anteil des Spanischen BIPs erwirtschaftet wird und Großbetriebe wie Seat und BASF ihre Fabriken betreiben.
Viele von diesen Vierteln sind in den 50ern und 60ern entstanden, als Stadt, Provinz und Communidad beinah um das doppelte wachsen, weil Migranten aus Kastilien, Extremadura oder Andalusien in die industriellen Zentren wandern. Zunächst wachsen an allen Ecken und Enden wild Baracken aus dem Boden, deren Bewohner dann in die neuen Bauten an den Rändern umgesiedelt werden. Mit der Einwanderungswelle in den Boom-Jahren Spaniens werden die in den 80ern zunehmend entvölkerten Viertel dann von den neuen Migranten, den Marrokanern, Rumänen und Latinos, übernommen und mit neuem Leben gefüllt.
Hier verschwinden die Flaggen Kataloniens, es wird, mit den Akzenten der jeweiligen Herkunftssregion, Spanisch, Arabisch oder Romanes gesprochen, und durch die Straßen schallt die Cumbia. Während man in meiner Gegend rund um die Sagrada Familia locker 150% des Durchschnittseinkommens der Stadt erzielt, liegen die Einkünfte an den Rändern im Norden im Schnitt bei 40%. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt dreimal und bei den Jugendlichen sogar sechsmal höher als in den reichen Vierteln der Stadt. Auch die meisten Zwangsräumungen, die als Folge der Krise entstehen, erfolgen hier, in den armen Vierteln der Stadt. Zwar werden die Mehrheit der Sozialen Dienste hier geleistet, der strukturellen Ausgrenung kann damit aber kaum entgegen gewirkt werden. Erst vor zwei Wochen kam es zu gewalttätigen Vorfällen auf dem Sozialamt in Nou Barris.
Wer sich auf seiner Reise nach Barcelona wundert, dass man von der Krise nichts sähe, und auch wer sich fragt, wie der Reichtum im Zentrum erwirtschaftet wird, dem sei ein Ausflug an seine Ränder empfohlen.