27.03.08

Nueva Germania

Leute, das ist schwer zu beschreiben. Da war ich also ueber Ostern in Nueva Germania, einer kleinen Siedlung im laendlichen Bezirk San Pedro in Paraguya. 1887 gegruendet von Bernhard Foerster und Elisabeth Foerster-Nietzsche - man ahnt es schon, der Schwester und dem Schwager von Friedrich Wilhelm Nietzsche. Nueva Germnania war Programm: hier sollte der Deutsche frei von allen schlechten Einfluessen die neue Gesellschaft schaffen. Allerdings waren die ersten 12 Siedlerfamilien wohl eher auf der Flucht vor Armut in Deutschland, als dass sie sich der Veredelung der Rasse widmen wollten. Und so dachte sich Elisabeth ihre Geschichten von der prunkvollen Landung am "Hafen" von Nueva Germania und dem Empfang mit Saenfte und Leibgarde ausdenken, um in der Heimat vom neuen Lebensraum zu schwaermen.


Was ist davon uebrig geblieben? Vielleicht 20 Familien, die mitten in der paraguayischen Pampa deutsch sprechen, Haudenschild, Meister oder Koeck heissen, ein Leben fuehren, das gepraegt ist durch Subsistenzwirtschaft und wenig Luxus und wenn der Pfarrer einmal im Jahr vorbei kommt, werden alle Kinder getauft. 6 davon gab es am Ostersonntag. Man lebt weit auseinander auf dem alten Siedlungsgebiet und der Asphalt hat es erst im letzten Jahr bis ins Dorf geschafft, jetzt wird das Leben schneller und ein Wandel setzt ein, der an den Bau der Hunsrueckhoehenstrasse in Heimat Eins erinnert. Internet ist dagegen nicht in Sicht und auch den einen brasilianischen Fernsehsender empfaengt man nur schlecht.



Dass unter Stroessner, dem paraguayischen Langzeitdiktatator, alles besser war, hoert man oefter und manchmal ziert ein Bild des deutschstaemmigen Fuehrers das Haus. Allerdings ist diese Meinung nichts ungewoehnliches fuer den Teil der paraguayischen Bevoelkerung, der damals nichts zu verlieren hatte und fuer den heute die (oekonomischen) Ungleichheiten und sozialen Spannungen der Gesellschaft relativ ploetzlich und extrem sichtbar werden. Am 20.04. wird gewaehlt und es gibt das erste Mal eine reale Chance, dass die seit 60 Jahren regierende Colorado Partei abgewaehlt wird. Ob diese Wahl mit rechten Dingen zugehen wird, wird von dem Grossteil derjenigen, die ich getroffen habe, angezweifelt. Zu verstrickt ist das Land in eine Vetternwirtschaft, die ueber Jahrzehnte immer wieder die gleichen Machthaber begeunstigte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo, Christoph!

Es ist irgendwie unwirklich, diese Deutsche mitten in der Pampa...
Ich würde es
"Die Galapagosinseln der Deutschen" nennen...
Sind manche von ihnen mal hier in Deutschland zu Besuch gewesen? Haben sie eine Vorstellung davon, wie der Deutsche heute zu Tage hier lebt? Wie sehen sie sich? Als Verlierer, als Gewinner? Glauben sie, sie wurden "reingelegt"? Was für Rechte hätten sie, wenn sie zurückkehren würden? So wie die Russland-Deutsche, oder doch nicht? Man, das ist echt verrückt...
Welches Land fühlen sie als Heimat?
Viele Fragen, wie immer, aber was soll´s!
Du machst das so gut, wie man es von dir gewöhnt ist!

Ciao!
Ralitza

Kachelagent hat gesagt…

Mir faellt eine schoene Situation ein, um einen Teil deiner Fragen zu beantworten. Die 84jaehrige blinde Oma einer der Familien sitzt in ihrem Schaukelstuhl vorm Haus und wir reden ueber den Enkel, der grade in Deutschland ist und "Geld verdient". In der Tat haben die meisten der Familien noch den deutschen Pass und die Immigration ist dementsprechend einfach. Die Jobs sind es auch: Postdienste, Lagerarbeiten, ohne Ausbildung ist nicht viel mehr zu holen. Deswegen wird auch ihr Enkel bald zurueck kommen. Zumal ihm das Wetter in Deutschland zu schaffen macht. Die Oma war nie in ihrem Leben in Deutschland, aber sie erinnert sich, was ihr Lehrer in der Grundschule ueber das Land erzaehlt hat. Dass er als Kind auf einem gefrorenen See in Deutschland Schlittschuh gefahren ist. So kalt muss es in Deutschland sein, erklaert die Oma und lacht, waehrend sie die paraguayische Hitze mit ihrem Faecher vertreibt.