28.03.09

Unsere Krise

Bei uns klingt Krise anders. Seit 4 Wochen eskaliert der Konflikt zwischen Agrarwirtschaft und Regierung aufs neue. Erinnert ihr euch noch? Der Streit um die Sojaausfuhrsteuern, die erhoeht werden sollten? 99% der Soja Argentiniens werden exportiert, 50% der landwirtschaftlichen Flaeche ist mit Soja bebaut, die Bohne macht 2/3 des Exportgewinnes des Landes aus, 5% der Bauern produzieren 75% der Soja, ich haenge mitten in Resistencia und komme nicht vorwaerts, weil ueberall entzuernte Bauern Maehdrescher auf die Strasse stellen usw. Am Schluss, im Juli 2008, hat dann das Parlament gegen die Regierung gestimmt und so die Erhoehung der Steuern verhindert.

Seitdem ist viel passiert. Der Weltmarktpreis der Soja ist auf das Niveau von 2005 gefallen (also zeitweise auf ein Drittel des Preises von Anfang 2008), die schlimmste Duerre der letzten 60 Jahre hat bei Getreide fuer Ernteverluste von bis zu 50% gesorgt, die Soja ist mit Verlusten von 15% noch ganz gut davon gekommen, dafuer steigt der Dollar dank Weltfinanzkrise unaufhoerlich und faengt Teile der Verluste auf.

Jetzt also sind die Bauern wieder mobilisiert. Diesmal um die Sojaexportsteuern abzusenken, mindestens von 35 auf 25%. Die Regierung hat bereits viele Verguenstigungen wegen Krise und Duerre geschaffen, die Soja aber nicht angeruehrt. Der Agrarwirtschaft reichte es nicht. Sie hat aufs neue eine Woche gestreikt. Am Anfang auch wieder Strassen gesperrt, ich sah mich (auf Tour in der Provinz Entre Rios) schon eine Woche diesmal im schoenen Parana haengen. Zum Glueck konnten wir den Tunnel unter dem Fluss mit Polizeibegleitung und auf Feldwiesen nehmen. Der Ton ist scharf, vielleicht sogar schaerfer als vor 12 Monaten, sonst ist vieles Wiederholung und eine Loesung ist nicht in Sicht. Heute wird der Streik beendet und die Agrarwirtschaft hofft, eine Mehrheit der Parlamentarier auf ihre Seite zu bekommen. Klingt gut-demokratisch, aber auch fernab der Realitat, den Streit im Kongress zu loesen.

Das alles mitten im Wahlkampf. Aufgrund horrender Umfragewerte hat sich Cristina Kircher entschieden, die Wahlen 3 Monate vorzuverlegen. Das geht per Praesidialerlass und Zustimmung des Parlaments, die Huerde wurde vorgestern genommen. Die Oposition ist entzuernt, glaubt, dass so eine gemeinsame Oposition gegen die "Kirchneristas" verhindert werden soll und sucht in aller Eile nach Buendnissen. Nebenbei erlaesst Cristina autoritativ eine Verordnung, die 30% der Sojasteuern an die Provinzen ueberweist, dort wird im Juli gewaehlt und insbesondere die Kirchnerbasis in Gran Buenos Aires wird davon profitieren.

Was tun? Fuer sozialen Ausgleich eintreten, Demokratisierung wuenschen, nachhaltige Sozial - und Umweltpolitik einfordern? Ziele, die in diesem Konflikt in Argentinien unvereinbar sind. Vielleicht koennt ihr beim naechsten mit der argentinischen Soja angezuechteten Schweinmett daran denken, wie ich mich auf Feldwegen um die Blockaden der Agrarwirtschaft herum schleichen muss.

2 Kommentare:

robert hat gesagt…

Hej Christoph,

klingt ja ganz schön heftig, ich wusste bis ebend gar nicht das Soja für "euch" Argentinier so bedeutend ist.

Deine geheime Fluchtaktion durch Röhren und über Feldwege klingt ja auch recht heftig ... errinert mich an Julia und meinen Aufenthalt in Guatemala City, als wir plötzlich in der Shopping-Mall festsaßen, weil draußen die Anti-USA-Demo "etwas" außer Kontrolle geraten ist. Plötzlich wurde alles verriegelt und man kommt weder rein noch raus ... dann heißt es abwarten und Coke trinken. :-)

Der Appetit auf Scheinemett ist mir gerade vergangen ... viele Grüße auf den Cono Sur!

robert

Anonym hat gesagt…

Na super,
hauptsache ich hab grad mal schön Bolognese Souce mit Schweinehack gemacht, damit der Besuch morgen auch lecker was zu essen bekommt....
Hätt ich den Blog vielleicht mal etwas früher studieren sollen. Obwohl ich mich ja mittlerweile eh schon fast frage, was von unseren alltäglich verzerrten Dingen überhaupt noch guten Gewissens gegessen werden kann. Ich mach mir da jedenfalls erwiesenermaßen viel zu wenig Gedanken drüber und frage mich gerade allen ernstes, warum ich mir eigentlich über unsere Finanzsituation auch so meine Gedanken mache, obwohl wir hier nun wirklich alles in Hülle und Fülle haben.
Nachdenkliche vorösterliche Grüße und ich mach mir wirklich Gedanken darüber, wie Du eigentlich irgendwann hier mal wieder Fuß fassen willst/kannst, ob der ganzen Begebenheiten, die Dich dort doch sehr prägen.
Steffi