20.02.15

Mir reicht´s. Das ist nicht mein Deutschland.



Seit etwa vier Monaten höre ich mir an, was mir junge arbeitslosen Spanier von ihrem Leben erzählen. Haufenweise junge Menschen, die sich auf die Lebensmittelverteilung der Caritas verlassen müssen. Haufenweise junge Menschen, die froh sind, wenn sie einen Job für 200 € finden, die arbeiten, gleich zu welchen Bedingungen. Haufenweise junge Menschen, die mit 24 ihre Eltern um ein paar Euro fragen, wenn sie am Wochenende ausgehen wollen. Haufenweise Jugendliche, die klauen und Marihuana verkaufen. Und haufenweise Jugendliche, die, wenn sie es sich leisten können, ihr Studium verlängern und studieren und studieren und studieren, weil es doch keine Alternative gibt. Hoffentlich werden sie cleverer als wir es waren. Klar, Griechenland ist nicht Spanien. Und doch: vieles an der Krise und an seiner Bearbeitung hängt zusammen. Gemeinsamer Markt, gemeinsame Währung, gemeinsame Gläubiger - überall in der EU. In Spanien, Deutschland, Griechenland.

Gestern hat also “mein” Finanzminister, hat “meine” Regierung zur griechischen Staatsschuldenkrise verlauten lassen, eine Überbrückung von sechs Monaten sei “kein substantieller Lösungsvorschlag”. Als wenn die bisherigen Reformen eine Lösung geboten hätten. Sehen sie wirklich nicht, was hier auf dem Spiel steht? Die europäische Idee, die den Kontinent friedlicher machen sollte, hat sich der Idee eines Markts unterworfen, der den Kampf zwischen Verlieren und Gewinnern ausruft. In den letzten Jahren hat Deutschland wohl all das an Porzellan zerschlagen, was es in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg mühsam an Vertrauen aufgebaut hat.

Sind die Milliarden Euro an Bürgschaften und der Ausfall von Zinszahlungen ab 2022 wirklich wichtiger, als die 800.000 Griechen, die nicht mehr vom öffentlichen Gesundheistsystem versorgt werden können und ohne jede Transferzahlung leben? Milliarden von denen 77% in die Rettung der Banken geflossen sind? Noch dazu, wo die griechischer Regierung Reformen durchgezogen hat, wie sie in Deutschland undenkbar wären: Kürzung der Staatsausgaben um etwa 20%, Verringerung des durchschnittlichen Einkommens um 30%, Kürzung der öffentlichen Gesundheitsausgaben auf 6% (Deutschland 11%) Erwirtschaftung eines Primärüberschuss des Haushalts usw.

Deutschland dagegen verdient gut mit seiner auf Export gestrimmten Wirtschaft. Und es hat es auch bereits in den Jahren, in den in Griechenland noch U-Bahnen, Flughäfen und Strassen gebaut wurden. Es stellt Produkte für den segmentierten europäischen Markt her, mit denen niemand konkurrieren kann, und Produkte für den Weltmarkt, die dort dank billigem Euro so billig sind wie nie zuvor.

Mit der Einführung der Währungsunion wurde eine starkes Symbol geschaffen und ein Instrument, von dem Deutschland profitiert hat. Versäumt wurde dagegen das einzuführen, was zu einer gemeinsamen Währung gehört: Gemeinsame Steuer-, gemeinsame Wirtschafts-, gemeinsame Sozialpolitik. Wenn das jetzt aufgrund der Porteste der Bevölkerungen in kleinen Anteilen nachgeholt werden sollte, ist das nicht mehr als eine logische Konsequenz und hoffentlich nur ein Anfang. Ein halbes Jahr Aufschub? Wie kann das zuviel sein für die Suche nach einem innereuropäischen Ausgleich?

Ich bin es leid, und ich wünschte, mit mir wären es auch andere in Deutschland. Andere, denen klar ist, dass hier viel mehr auf dem Spiel steht, als der Verlust einiger Milliarden im Bundeshaushalt. Viel mehr als um das Abschreiben griechischer Milliardenhilfe geht hier, als wäre nichts dabei, die Idee eines friedlichen Kontinents und die Suche nach einem Ausgleich zu den Regeln des Marktes flöten.


Keine Kommentare: