Seit etwa vier Monaten höre ich mir an, was mir
junge arbeitslosen Spanier von ihrem Leben erzählen. Haufenweise
junge Menschen, die sich auf die Lebensmittelverteilung der Caritas
verlassen müssen. Haufenweise junge Menschen, die froh sind, wenn sie einen Job für
200 € finden, die arbeiten, gleich zu welchen Bedingungen.
Haufenweise junge Menschen, die mit 24 ihre Eltern
um ein paar Euro fragen, wenn sie am Wochenende ausgehen wollen.
Haufenweise Jugendliche, die klauen und Marihuana verkaufen. Und
haufenweise Jugendliche, die, wenn sie es sich leisten können, ihr
Studium verlängern und studieren und studieren und studieren, weil
es doch keine Alternative gibt. Hoffentlich werden sie cleverer als
wir es waren. Klar, Griechenland ist nicht Spanien. Und doch: vieles
an der Krise und an seiner Bearbeitung hängt zusammen. Gemeinsamer
Markt, gemeinsame Währung, gemeinsame Gläubiger - überall in der
EU. In Spanien, Deutschland, Griechenland.
Gestern hat also “mein”
Finanzminister, hat “meine” Regierung zur griechischen Staatsschuldenkrise verlauten lassen, eine
Überbrückung von sechs Monaten sei “kein substantieller
Lösungsvorschlag”. Als wenn die bisherigen Reformen eine Lösung
geboten hätten. Sehen sie wirklich nicht, was hier auf dem Spiel steht? Die
europäische Idee, die den Kontinent friedlicher machen sollte, hat
sich der Idee eines Markts unterworfen, der den Kampf zwischen
Verlieren und Gewinnern ausruft. In den letzten Jahren hat
Deutschland wohl all das an Porzellan zerschlagen, was es in den
Jahren nach dem zweiten Weltkrieg mühsam an Vertrauen aufgebaut hat.
Sind die Milliarden Euro
an Bürgschaften und der Ausfall von Zinszahlungen ab 2022 wirklich
wichtiger, als die 800.000 Griechen, die nicht mehr vom öffentlichen
Gesundheistsystem versorgt werden können und ohne jede
Transferzahlung leben? Milliarden von denen 77% in die Rettung
der Banken geflossen sind? Noch dazu, wo die griechischer Regierung
Reformen durchgezogen hat, wie sie in Deutschland undenkbar wären:
Kürzung der Staatsausgaben um etwa 20%, Verringerung des
durchschnittlichen Einkommens um 30%, Kürzung der öffentlichen
Gesundheitsausgaben auf 6% (Deutschland 11%) Erwirtschaftung eines
Primärüberschuss des Haushalts usw.
Deutschland dagegen
verdient gut mit seiner auf Export gestrimmten Wirtschaft. Und es hat
es auch bereits in den Jahren, in den in Griechenland noch U-Bahnen,
Flughäfen und Strassen gebaut wurden. Es stellt Produkte für den segmentierten europäischen Markt her, mit denen niemand
konkurrieren kann, und Produkte für den Weltmarkt, die dort dank
billigem Euro so billig sind wie nie zuvor.
Mit der Einführung der
Währungsunion wurde eine starkes Symbol geschaffen und ein
Instrument, von dem Deutschland profitiert hat. Versäumt wurde
dagegen das einzuführen, was zu einer gemeinsamen Währung gehört:
Gemeinsame Steuer-, gemeinsame Wirtschafts-, gemeinsame
Sozialpolitik. Wenn das jetzt aufgrund der Porteste der Bevölkerungen
in kleinen Anteilen nachgeholt werden sollte, ist das nicht mehr als
eine logische Konsequenz und hoffentlich nur ein Anfang. Ein halbes
Jahr Aufschub? Wie kann das zuviel sein für die Suche nach einem
innereuropäischen Ausgleich?
Ich bin es leid, und ich wünschte, mit mir wären es auch andere in Deutschland. Andere,
denen klar ist, dass hier viel mehr auf dem Spiel steht, als der
Verlust einiger Milliarden im Bundeshaushalt. Viel mehr als um das
Abschreiben griechischer Milliardenhilfe geht hier, als wäre nichts
dabei, die Idee eines friedlichen Kontinents und die Suche nach einem
Ausgleich zu den Regeln des Marktes flöten.
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