Meine Bettlerin vor dem Supermarkt scheint nur noch am Samstag zu kommen. Dafür ist gegenüber jetzt ein junges Paar auf eine Matratze gezogen. Und als ich am letzten Freitag sah, wie ein Penner einen frisch aus der Mülltonne gezogenen Becher Cafe zu sich nahm, ist mir genauso schlecht geworden wie vor zweieinhalb Jahren.
Der Linksschwenk in Lateinamerika hält an. Mujica wird gewählt und mit ihm setzt die Frente Amplio ihren Kurs in Uruguay fort. Die grössere Sensation: Mit Fernando Lugo gewinnt in Paraguay ein ehemaliger Bischof, der die Einparteienherrschaft der Colorados seit über 60 Jahren bricht. In Bolivien wird mit über 60 Prozent eine neue Verfassung verabschiedet, die die Nation zum Vielvökerstaat ausruft. Trotz gegenteiliger Analyse von mir nach den Midterms im vergangenen Jahr in diesem Blog scheinen sogar die Kirchners Chancen auf eine Wiederwahl zu haben.
Ein paar Gegenströmungen: Die Rechte gewinnt erneut mit ihrem Kampf gegen den "Terror der Rebellen" in Kolombien, vielleicht enttäuschender: In Chile kann sich die soziale Christdemokratie nach den äusserst erfolgreichen Jahren von Bachelet nicht gegen die Rechte durchsetzen und ein Frontmann der Oligarchie wird Präsident.
50% (niemand weiss es genau) Inflation in Argentinien. Als ich ankam gab´s die Pizza bei Ugis für 8 Pesos, das Heineken in der Farmacia, unserer Lieblingskneipe für 15. Als ich ging lag die Pizza bei 12, das Bier bei 22. Mein Lohn stieg um 22%, der Euro um 13%. Der Mindestlohn, den es hier natürlich gibt, lag zu Beginn von 2008 bei 1000 Peso, heute bei 1840.
Die Supermärkte machen jetzt Werbung auf ihren Tüten: Bitte weniger Tüten benutzen. Zum Tag der Frau gibt es schicke Jutebeutel mit schickem Design. Natürlich strikt nach Klasse geordnet. In den Durchschnittssupermärkten für 5, in den schicken Läden für 12 Pesos.
Uruguay führt die eingetragene Lebenspartnerschaft mit allen dazugehörigen Rechten bis zur Adoption ein, Argentinien öffnet direkt die Ehe für die Homos.
Meine drei Länder wachsen wie China? Nicht ganz, aber im Vergleich zu Deutschland ist der Wachstum der letzten drei Jahren beeindruckend. Sie legen im BIP um zwischen 5 und 9% zu und retten, wie andere Schwellenl#nder dem Norden im Jahr der Krise den Arsch. In 2009 heisste es Wachstum statt Defizit, wenn auch im Bereich von 1 oder 2%.
Dank Fleischkonsum und Biosiesel hat Europa Anteil am Wachstum. Die Sojaernte in Argentinien wächst in meinen Jahren von 48 Millionen Tonnen auf etwa 55 Millionen, ähnliche Relationen in Paraguay. In Charata stehen ein paar Villen mehr und kurven mehr allrandangetriebene Jeeps. In Castelli wächst die Siedlung der Indigenas jede Woche um ein paar Hütten mehr. Es bleibt kein Platz mehr, um auf dem Land zu leben.
In Varela, in der Villa Itatí, ja sogar am Strassenrand vor La Cantera wird sichtbar wie Fortschritt geht. In den Armenvierteln werden Mülltonnen aufgestellt, Bürgersteige verlegt, Mobilfunkmäste aufgestellt. Die Nachbarn der Casa San Pablo haben eine Wand, die Kinder bei den den Drömels eine Matraze mehr. In Los Cables um die Ecke wohnen jetzt geschätzte 20 Familien, an der Strasse nach Pirayú 4 mehr. In Holzverschlägen.
1 Kommentar:
Ach, das wird mir fehlen: dieses assoziative Schreiben. Herrlich!
Gibt es jetzt bald einen Deutschland Blog?
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